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Mantelzell-Lymphom

ICD-10 ICD C83.1
Stand März 2017
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Mantelzell-Lymphom

1Zusammenfassung

Das Mantelzell - Lymphom wird histologisch als indolentes (zytisches) Lymphom klassifiziert, zeigt aber klinisch häufig einen aggressiven Verlauf. Pathognomonisch ist die chromosomale Translokation t(11;14) mit Überexpression von Cyclin D1.

Die große Mehrzahl der Patienten wird in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Die Prognose kann mittels des klinischen MCL International Prognostic Index (MIPI) abgeschätzt werden. Die mediane Überlebenszeit liegt bei etwa 5 Jahren.

Der Therapieanspruch bei Patienten mit Mantelzell-Lymphom ist palliativ. Ziel ist das Erzielen einer Langzeitremission mit Verlängerung der Überlebenszeit. Die Therapie orientiert sich vor allem am Allgemeinzustand. Jüngere Patienten werden mit einer aggressiven, Cytarabin-haltigen Chemotherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation behandelt, bei älteren Patienten wird eine Immunchemotherapie mit anschließender Rituximab-Erhaltungstherapie empfohlen.

Beim Mantelzell-Lymphom gibt es aktuell einen Innovationsschub durch neue und zielgerichtete Medikamente.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Das Mantelzell-Lymphom wird unter den indolenten Lymphomen geführt, zeigt jedoch in den meisten Fällen einen klinisch aggressiven Verlauf. In der Kiel-Klassifikation der Lymphome war es erstmals als eigene Entität identifiziert und als centrocytisches Lymphom bezeichnet worden.

2.2Epidemiologie

6-9% der malignen Lymphome werden in Europa als Mantelzell – Lymphome klassifiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 65 Jahren, mit einer großen Altersspanne. Etwa 70% der Patienten sind Männer.

2.3Pathogenese

Das Mantelzell-Lymphom ähnelt den reifen B Lymphozyten der Mantelzone [1]. Pathognomonisch ist eine chromosomale Translokation zwischen dem Immunglobulin-Schwerketten-Gen auf Chromosom 14 und dem Cyclin-D1-Gen auf Chromosom 11. Die t(11;14)(q13;q232) führt zur aberranten Überexpression von Cyclin D1 und zur Aktivierung des Zellzyklus. Trotz des homogenen Immunphänotyps mit Koexpression reifer B Zellmarker und CD5 sowie der charakteristischen Translokation t(11;14) ist das Mantelzell-Lymphom eine heterogene Erkrankung. Zusätzliche genetische Aberrationen beeinflussen das Krankheitsbild.

3[Kapitel nicht relevant]

4Klinisches Bild

4.1Symptome

Das klinische Bild wird durch Lymphknotenvergrößerungen und eine Splenomegalie bestimmt. In ca. 80-90% liegt eine Knochenmarkinfiltration vor, in 20 –30% der Fälle werden Lymphomzellen im Blut nachgewiesen. Extranodale Manifestationen (z.B. Darmbefall, Meningeosis lymphomatosa) sind häufiger als bei anderen indolenten Lymphomen [2].

5Diagnose

5.1Diagnostik

5.1.1Erstdiagnose

Die Diagnostik beruht auf der histologischen Untersuchung des befallenen Lymphknotens. Im charakteristischen, zytologischen Bild stellt sich der Zellkern unregelmäßig und mit einer Einkerbung dar, das Chromatin ist dicht, das Zytoplasma schmal. Daneben gibt es ein ganzes Spektrum von Varianten, bei denen die Lymphomzellen eher lymphozytisch, wie ein Marginalzonen-Lymphom, pleomorph oder blastär imponieren. Zur Abgrenzung von anderen Lymphomsubtypen ist der immunhistochemische Nachweis einer CyclinD1-Überexpression oder einer t(11;14) in der Fluoreszenz In Situ Hybridisierung (FISH) obligat.

Da die Therapie des Mantelzell-Lymphoms vom Ausbreitungsstadium abhängt, ist eine ausführliche Diagnostik vor Therapiebeginn essentiell (Staging). Hierzu gehören (Erstuntersuchung):

  • Anamnese, insbesondere von B-Symptomen

  • Körperliche Untersuchung

  • Zellzählung, Differenzialblutbild, Retikulozyten

  • BSG, Elektrophorese, Gesamteiweiß

  • GOT, GPT, AP, γ-GT, Bilirubin, Kreatinin, Harnsäure, Blutzucker

  • LDH, β²-Mikroglobulin

  • Quick-Wert, PTT

  • Immunglobuline quantitativ, bei V.a. auf ein monoklonales Immunglobulin: Immunfixation

  • Oberflächenmarker durch FACS-Analyse (nur bei leukämischen Verlauf)

  • Knochenmarkzytologie, Knochenmarkhistologie

  • CT Hals/Thorax/Abdomen

  • (alternativ: Sonographie zur Verlaufskontrolle)

Die Durchführung einer Positonen-Emissions-Tomographie (PET) bzw. eines PET-CT hat keine therapeutischen Konsequenzen.

Um Patienten mit einem erhöhten Risiko für Akut- und/oder Spätkomplikationen identifizieren zu können, sind Untersuchungen der Lungenfunktion und des Herzens (EKG, Herz-Echo) vor Therapiebeginn obligat.

5.2[Kapitel nicht relevant]

5.3Klassifikation

5.3.1Stadien

Die Stadieneinteilung erfolgt in Stadium I bis IV nach der Ann-Arbor-Klassifikation. Aufgrund des häufigen KM-Befalls liegt jedoch in den meisten Fällen ein fortgeschrittenes Stadium vor.

I

Befall einer einzigen Lymphknotenregion (I/N) oder Vorliegen eines einzigen oder lokalisierten extranodalen Herdes (I/E)

II

Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N) oder Vorliegen lokalisierter extranodaler Herde (II/E) und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N/E)

III

Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III/N) oder Befall von lokalisierten extranodalen Herden und Lymphknotenbefall, so daß ein Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells vorliegt (III/E oder III/N/E)

III1

subphrenische Lokalisation, beschränkt auf Milz, zöliakale und/oder portale Lymphknoten allein oder gemeinsam

III2

subphrenische Lokalisation mit Beteiligung paraaortaler, mesenterialer, iliakaler und/oder inguinaler Lymphknoten allein oder gemeinsam

IV

disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von Lymphknoten

Zum lymphatischen Gewebe gehören: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyerscher Rachenring, Appendix. Zervikale, axilläre oder inguinale Lymphknotenvergrößerungen sowie Leber- oder Milzvergrößerungen gelten als je eine Region.

Die Stadien erhalten den Zusatz „A” bei Fehlen, „B” bei Vorliegen von

  • nicht erklärbarem Fieber > 38°C

  • nicht erklärbarem Nachtschweiß

  • nicht erklärbarem Gewichtsverlust (> 10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)

5.4Risikogruppen

Kürzlich wurde ein klinischer Risiko-Score (MIPI: MCL International Prognostic Index) etabliert, der den Allgemeinzustand und das Alter des Patienten sowie LDH- und Leukozytenwerte einschließt [3]. Für die Berechnung steht auch eine Internet-basierte Version zur Verfügung [4]. Zusätzlich besitzt der Proliferationsmarker Ki67 eine hohe prognostische Relevanz [5]. Die ca. 10-15% indolent verlaufenen Fälle sind darüber hinaus nicht eindeutig zu identifizieren [6].

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Patienten mit Mantelzell-Lymphomen sollten, wenn immer möglich, im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden. Ein Therapie - Algorithmus ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Therapiealgorithmus 
1 AZ – Allgemeinzustand; 2 Therapie: allo SZT – allogene Stammzelltransplantation, auto SZT – autologe Stammzelltransplantation, BEAM – Carmustin/Etoposid/Cytarabin/Melphalan, BR – Rituximab/Bendamustin, R-Cb – Rituximab/Chlorambucil, R-CHOP - Rituximab/Cyclophosphamid/Doxorubicin/Vincristin/Prednison, R-CHBoP - Rituximab/Cyclophosphamid/Doxorubicin/Bortezomib/Prednison, R-DHAP – Dexamethason/hochdosiertes Cytarabin/Cisplatin, R-Erhaltung – Rituximab Erhaltung, R-HAD – Rituximab/hochdosiertes Cytarabin/Dexamethason, R-HyperCVAD – Rituximab/ Cyclophosphamid/Vincristin/Doxorubicin/Dexamethason, THAM – Hochdosistherapie mit Ganzkörperbestrahlung (Total Body Irradiation)/ Cytarabin/Melphalan, w&w – abwarten (watch & wait); 3 CR – komplette Remission, NR – keine Remission (Non Response), PR – partielle Remission;

6.1.1Erstlinientherapie

1. Bei jüngeren Patienten (≤65 Jahre) stellt ein dosisintensiviertes Konzept (Induktion plus Hochdosiskonsolidierung mit autologer Stammzelltransplantation, oder HyperCVAD) aufgrund des deutlich verlängerten progressions-freien Überlebens die Standardtherapie dar [78]. Ein Cyarabin-haltiges Regime führt zusätzlich zu einem signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben [9].

2. Bei älteren Patienten sind mögliche Kombinationsregime R-CHOP oder R–Bendamustin (siehe Anhang Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle). Allerdings rezidiviert aufgrund des aggressiveren Krankheitsverlaufs die Mehrzahl der Patienten in den ersten 3 Jahren. Die Gabe von Bortezomib anstelle von Vincristin (R-CHBoP) führt zu einer Verlängerung des progressions-freien Überlebens [10], siehe Anhang Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab führt nach R-CHOP zu einer signifikanten Verlängerung der Remissionsdauer und der Gesamtüberlebenszeit [11].

3. Im Einzelfall kann bei indolentem klinischen Verlauf, aufgrund der klinischen Manifestation (z. B. leukämische Präsentation ohne nodalen Befall) oder biologischer Marker (Ki67 <10%) eine engmaschige watch & wait Strategie verfolgt werden und erst bei Progress eine Therapie eingeleitet werden [4].

Informationen zum Zulassungsstatus sind in Mantelzell-Lymphom Zulassung zusammengefasst.

6.1.2Rezidiv / Progress / Refraktarität

1. Auch im Rezidiv ist die Immunchemotherapie Standard (bei initialer Remissionsdauer ≥6 Monate). Die Wahl des Schemas erfolgt in Abhängigkeit von der Primärtherapie.

2. Bei Patienten mit mehrfach rezidivierter oder refraktärer Erkrankung führt Ibrutinib gegenüber Temsirolimus zu einer Erhöhung der Remissionsrate von 40 auf 72% und zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (Hazard Ratio 0,43; Median 8,4 Monate). Die Gesamtüberlebenszeit wird nicht signifikant verlängert [12].

3. Der mTOR-Inhibitor Temsirolimus führt bei Patienten mit mehrfach rezidivierter oder refraktärer Erkrankung gegenüber einer Monochemotherapie nach Wahl des Arztes zu einer Steigerung der Remissionsrate sowie zur Verlängerung der progressionsfreien (Hazard Ratio 0,44; Median 2,9 Monate) und der Gesamtüberlebenszeit [13], siehe Mantelzell-Lymphom - Zulassung.

4. Bei Patienten mit mehrfach rezidivierter oder refraktärer Erkrankung führt Lenalidomid gegenüber einer Therapie nach Wahl des Arztes zu einer Erhöhung der Remissionsrate und zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (Hazard Ratio 0,61; Median 3,5 Monate) [14].

5. Einen weiteren vielversprechenden Therapieansatz stellt der Proteasomeninhibitor Bortezomib dar, hier liegen allerdings keine randomisierten Studien vor [151617].

6.1.3Konsolidierung / Erhaltung

1. Wenn die autologe Transplantation nicht bereits in der Primärtherapie eingesetzt worden ist, sollte sie im ersten Rezidiv diskutiert werden.

2. Bei Rezidiv nach Hochdosistherapie kann bei jüngeren Patienten eine allogene Transplantation mit reduzierter. Konditionierung diskutiert werden [2].

3. Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab führte in einer kleinen randomisierten Studie zu deutlich verlängertem progressionsfreiem Überleben und kann individuell eingesetzt werden [18].

6.2Therapiemodalitäten

6.2.1[Kapitel nicht relevant]

6.2.2[Kapitel nicht relevant]

6.2.3Medikamentöse Therapie

Die Ergebnisse von randomisierten klinischen Studien mit den einzelnen Substanzen und den Kombinationen sind in Studienergebnisse Mantelzell-Lymphom zusammengefasst. Informationen über den Zulassungsstatus der für die Therapie des Mantelzell-Lymphoms geeigneten Medikamente sind in Zulassungsstatus Mantelzell-Lymphom für Deutschland, Österreich und die Schweiz aufgeführt.

6.2.3.1Bendamustin

Bendamustin gehört zu den Stickstoff-Lost-Derivaten. Es ist eine alkylierende Substanz und hat gleichzeitig Eigenschaften eines Purin-Antimetaboliten. In der Zulassungsstudie zum Vergleich von Bendamustin vs CHOP, jeweils in Kombination mit Rituximab, waren 94 Patienten mit MZL eingeschlossen. Das mediane progressionsfreie Überleben war mit 35,1 vs 22,1 Monate signifikant gegenüber dem CHOP-Kontrollarm verlängert. In der aktuell publizierten BRIGHT-Studie waren 74 MZL-Patienten eingeschlossen. Die Remissionsrate war mit 94% im Bendamustin/Rituximab-Arm ebenfalls hoch, Daten zur Überlebenszeit liegen noch nicht vor, siehe Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. Nebenwirkungen von Bendamustin im CTCAE Grad 3/4 betreffen die Blutbildung: Neutropenie (23%), Thrombozytopenie (12%), Anämie (2,5%). Sie erfordern Dosisanpassungen. Andere häufigere Nebenwirkungen sind Fieber, Übelkeit/Erbrechen und Hautexanthem. Die Applikation von Bendamustin erfolgt intravenös.

6.2.3.2Bortezomib

Der Proteasomeninhibitor Bortezomib wurde zuerst für die Therapie von Patienten mit Multiplem Myelom zugelassen. Seine Wirksamkeit bei Patienten mit Mantelzell-Lymphom wurde in einer Reihe von Phase II-Studien in Kombination mit Zytostatika, Steroiden und Rituximab gezeigt. In einer kürzlich vorgestellten Phase-III-Studie war Bortezomib anstelle von als Teil eines R-CHOP-Regimes wirksamer als Vincristin in Bezug auf Remissionsrate und progressionsfreies Überleben, siehe Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. In dieser Studie wurde Bortezomib intravenös appliziert, die subkutane Gabe ist ebenfalls von der EMA zugelassen. Einsatzgebiete im Rahmen von Studien sind auch Formen der Erhaltungstherapie. Besondere Nebenwirkungen der Monotherapie sind Thrombozytopenie und periphere Neuropathie. Letztere tritt seltener nach subkutaner als nach intravenöser Applikation auf. Weitere Nebenwirkungen sind Reaktivierung des Varizella zoster-Virus (Aciclovir-Prophylaxe empfohlen) und pulmonologische Komplikationen wie Pneumonitis, interstitielle Pneumonie oder ARDS.

6.2.3.3Chlorambucil

Chlorambucil ist eine alkylierende Substanz. Es wird seit mehr als 50 Jahren von Non-Hodgkin Lymphomen eingesetzt. Beim Mantelzell-Lymphom kann es bei Patienten in reduziertem Allgemeinzustand allein oder in Kombination mit Rituximab eingesetzt werden. Chlorambucil ist gut verträglich. Die Nebenwirkungen sind dosisabhängig. Im Vordergrund steht die Hämatotoxizität mit Neutropenie, Thrombozytopenie und Anämie. Nebenwirkungen im CTCAE Grad 3/4 treten selten auf und sind durch Dosisreduktion vermeidbar. Chlorambucil wird oral appliziert.

6.2.3.4Cyclophosphamid

Cyclophosphamid hat eine Wirkung als Monosubstanz bei in indolenten Lymphomen, wird beim Mantelzell-Lymphom aber vor allem in Kombinationen mit Doxorubicin, Vincristin, Prednison und Rituximab (R-CHOP) eingesetzt. Hauptnebenwirkung von Cyclophosphamid ist die Hämatotoxizität. Bei höheren Dosierungen (>1.000 mg) kann eine hämorrhagische Zystitis auftreten, die durch die prophylaktische Gabe von Uromitexan vermeidbar ist. Cyclophosphamid wird in den gängigen Lymphom-Schemata intravenös appliziert.

6.2.3.5Cytarabin

Cytarabin gehört zu den Nukleosid-Analoga. Es ist seit mehr als 40 Jahren Standard in der Induktionstherapie von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML). In einer Phase-III-Studie bei jüngeren Patienten mit Mantelzell-Lymphom war die Kombination R-DHAP x 3 (Rituximab, Dexamethason, hochdosiertes Cytarabin, Cisplatin) in Kombination mit R-CHOP x 3 einer reinen R-CHOP Therapie in Bezug auf das progressionsfreie und das Gesamüberleben überlegen, siehe Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. Nebenwirkungen von hochdosiertem Cytarabin sind vor allem Hämatotoxizität, Übelkeit/Erbrechen, Mukositis und Alopezie. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktionen steigt das Risiko für Neurotoxizität.

6.2.3.6Dexamethason

Dexamethason ist ein hochwirksames Steroid. Beim Mantelzell-Lymphom wird es in der Induktionstherapie bei jüngeren Patienten beim R-DHAP-Regime eingesetzt, siehe Kapitel 6.2.3.5. Cytarabin. Nebenwirkungen entsprechen denen anderer Steroide, siehe Kapitel 6.2.3.11. Prednison/Prednisolon.

6.2.3.7Doxorubicin

Doxorubicin gehört zur Gruppe der Anthrazykline. Es wird beim Mantelzell-Lymphom vor allem in Kombination mit Doxorubicin, Vincristin, Prednison (CHOP) und Rituximab (R-CHOP) eingesetzt. In der bisher größten Studie zur Therapie des Mantelzell-Lymphoms führte die Therapie mit R-CHOP zu Remissionsraten von 86%, einem mittleren progressionsfreien Überleben von 28 Monaten und zu einer signifikanten Verbesserung der Überlebenszeit gegenüber einer Kombination von Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab, siehe Studienergebnisse Mantelzell-Lymphom. In zwei kleineren randomisierten Studien wurde wurde gezeigt, dass die Kombination Bendamustin/Rituximab dem R-CHOP mindestens gleichwertig ist in Bezug auf Remissionsraten und progressionsfreies Überleben ist. Hauptnebenwirkungen von Doxorubicin sind Übelkeit/Erbrechen, Alopezie und die Hämatotoxizität. Kritische Langzeitnebenwirkung ist eine Kardiomyopathie, das Risiko steigt ab einer kumulativen Dosis von 550 mg/m2. Nebenwirkungen von CHOP im CTCAE Grad 3/4, die bei mehr als 5% der Patienten auftreten, sind Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie, Alopezie und Infektionen. Doxorubicin muss strikt intravenös appliziert werden. Paravasate erfordern sofortige Gegenmaßnahmen.

6.2.3.8[Kapitel nicht relevant]
6.2.3.9Ibrutinib

Ibrutinib ist ein Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK). Diese Kinase spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung, Differenzierung, Signalübertragung und dem Überleben von B Lymphozyten. Ibrutinib führte in einer multizentrischen, randomisierten Studie gegenüber Temsirolimus zu einer Steigerung der Remissionsraten auf 72%, zur Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (HR 0,43; Median 8,4 Monate), zur Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten krankheitsassoziierter Symptome und zur Senkung der Nebenwirkungen. Die Verbesserung des Gesamtüberlebens war statistisch nicht signifikant, möglicherweise auch beeinflusst durch Switching vom Kontroll- in den Ibrutinib-Arm. Nebenwirkungen der Ibrutinib-Monotherapie in der Studie MCL3001 vom Schweregrad CTCAE 3/4 waren Neutropenie (13%), Thrombozytopenie (9%), Anämie (8%), Fatigue (4%), Diarrhoe (3%) und Fieber (1 %). Schwere Nebenwirkungen tragen signifikant seltener als im Temsirolimus-Arm auf.

Ibrutinib wird oral appliziert.

6.2.3.10Lenalidomid

Lenalidomid ist eine immunmodulatorisch wirksame Substanz. Zugelassen wurde Lenalidomid zuerst zur Therapie von Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom (siehe Onkopedia Multiples Myelom) und zur Therapie von Patienten mit Myelodysplastischem Syndrom (siehe Onkopedia Myelodysplastische Syndrome) mit Nachweis einer Deletion 5q-. Bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Mantelzell-Lymphom führte es in einer multizentrischen, randomisierten Phase-II-Studie gegenüber einer Therapie nach Wahl des Arztes zur Erhöhung der Remissionsrate von 11 auf 40% und zur Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (Hazard Ratio 0,61; Median 3,5 Monate). Die Gesamtüberlebenszeit wurde nicht signifikant verlängert. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie, Anämie, Fatigue, Thrombozytopenie, Diarrhoe und Obstipation. Schwere Nebenwirkungen im CTCAE Grad 3/4, die bei ≥5% der Patienten auftraten, waren Neutropenie (44%), Thrombozytopenie (18%), Anämie (8%) und febrile Neutropenie (6%).

Lenalidomid wird oral appliziert.

6.2.3.11Prednison / Prednisolon

Prednison oder Prednisolon sind häufig eingesetzte Glukokortikoide. Sie sind fester Bestandteil des CHOP-Regime und seiner Modifikationen. Kurzfristige Nebenwirkungen der Glukokortikoide sind Flush, innere Unruhe und Störungen des Glukose-Stoffwechsels. Mittel- und längerfristige Nebenwirkungen entsprechen den Symptomen des Cushing-Syndroms u. a. Osteoporose und Veränderung des Körperbildes. Kritische Nebenwirkungen insbesondere bei CLL-Patienten sind Infektionen, vor allem auch viraler und fungaler Genese, aufgrund Verstärkung der Immunsuppression. Glukokortikoide können oral und intravenös appliziert werden.

6.2.3.12Rituximab

Rituximab ist ein chimärer Anti-CD20 Antikörper. Die Kombination mit Chemotherapie-Regimen wie CHOP führt zu einer Steigerung der Remissionsraten und zu einer Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit im Vergleich zur Chemotherapie allein, siehe Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. Nach erfolgreicher Induktionstherapie mit R-CHOP verlängert eine Rituximab-Erhaltungstherapie die progressionsfreie und die Gesamtüberlebenszeit. Die häufigsten Nebenwirkungen von Rituximab sind unmittelbar infusionsbedingt mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und allgemeinem Krankheitsgefühl. Ein Zytokin-Release-Syndrom kann zu schwerer Hypotonie mit hohen Temperaturen, Hypoxie und Intensivpflichtigkeit führen. Das Auftreten des Zytokin-Release-Syndroms korreliert mit der Tumormasse und ist abhängig von der Rituximab-Dosierung. Rituximab kann intravenös und subkutan appliziert werden. Zugelassen ist die intravenöse Applikation. Die äquivalente klinische Wirksamkeit der subkutanen Gabe ist beim Mantelzell-Lymphom nicht in einer Phase-III-Studie belegt.

6.2.3.13Temsirolimus

Temsirolimus ist ein mTOR Kinase – Inhibitor. Zuerst wurde es für die Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom zugelassen. Die Wirksamkeit beim Mantelzell-Lymphom wurde in einer randomisierten Phase-III-Studie bei Patienten mit Rezidiv/Refraktarität im Vergleich zu einer Therapie nach Wahl des Arztes/Zentrums belegt. Temsirolimus führte zu einer Remissionsrate von 22% und zu einer statistisch signifikanten Verbesserung von progressionsfreier und Gesamtüberlebenszeit, siehe Mantelzell-Lymphom Studienergebnisse. Bei über 5% der Patienten in der Phase-III-Studie aufgetretene schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4) bei Mantelzell-Lymphom waren Thrombozytopenie (59%), (Anämie (20%), Neutropenie (15%), Asthenie (11%), Infektionen (9%), Diarrhoe (7%), Exanthem (7%), Dyspnoe (7%) und Mukositis (6%). Seltenere, aber belastende Nebenwirkung von mTOR Kinase-Inhibitoren ist eine Pneumonitis. Temsirolimus wird intravenös appliziert.

6.2.3.14Vincristin

Vincristin gehört zu den Vinca-Alkaloiden. Beim Mantelzell-Lymphom ist es Bestandteil von Kombinationsregimen wie R-CHOP. Spezifische Nebenwirkung ist neben der Hämatotoxizität vor allem eine Polyneuropathie, beginnend als sensorische Missempfindungen der Akren. Vincristin wird intravenös appliziert. Paravasate erfordern sofortige Gegenmaßnahmen.

7Verlaufskontrolle und Nachsorge

Nach einer Dosis-intensivierten Therapie (autologe oder allogene Transplantation) sollten mit dem Patienten spezielle Rehabilitationsmaßnahmen diskutiert werden.

8Verlaufskontrolle und Nachsorge

8.1Verlaufskontrolle

  1. Unter und unmittelbar nach Therapie (Therapiekontrolle, Erkennung von Komplikationen und Nebenwirkung)

    • Anamnese und körperliche Untersuchung

    • Zellzählung, Differenzialblutbild, LDH

    • Leber- und Nierenfunktionsparameter, ggf. weitere Labordiagnostik zur Therapieüberwachung und Komplikationskontrolle

  2. Therapiebewertung (Zytoreduktion, Nebenwirkungen) nach der Hälfte der Therapiezyklen und nach Abschluss einer zytostatischen Therapie sowie bei Verdacht auf Progression oder Komplikation:

    • Anamnese und körperliche Untersuchung

    • Bildgebende Diagnostik (CT, Sonographie)

    • Ausschluss von Therapiekomplikationen (Leber- Nierenparameter; bei klinischen Verdacht Echokardiographie, Röntgen Thorax, ggf. Lungenfunktion)

  3. Verlaufskontrollen nach Abschluss der Therapie in 3monatigen, ab dem dritten Jahr in 6-12monatigen Abständen als Nachsorge (Remissionsüberwachung bzw. Rezidiverkennung, Erkennung von Langzeittoxizität:

    • Anamnese und körperliche Untersuchung

    • Zellzählung, Differenzialblutbild

    • LDH, Leber und Nierenfunktionsparameter

    • Bildgebende Diagnostik (Sonographie; Schnittbildverfahren bei unklarer Situation und therapeutischer Konsequenz)

    • weiterführende Diagnostik in Abhängigkeit von den initial und im Verlauf erhobenen Befunden

  4. Bestimmung der ‚minimalen Resterkrankung‘ (MRD) nur innerhalb von Studien.

9Literatur

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  4. www.european-mcl.net/de/ clinical intergroup MIPI Rechner

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10Aktive Studien

11Therapieprotokolle

12Studienergebnisse

13Zulassungsstatus

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Christian Buske
Universitätsklinikum Ulm
Innere Medizin III
Inst. f. Experimentelle Tumorforschung
Albert-Einstein-Allee 11
89081 Ulm
Ao. Univ. Prof. Dr. Johannes Drach
Privatklinik Confraternität
Skodagasse 32
A-1080 Wien
Prof. Dr. med. Martin Dreyling
Klinikum der Universität München
Med. Klinik und Poliklinik III Großhadern
Marchioninistr. 15
81377 München
Prof. Dr. med. Michael Herold
Helios Klinikum Erfurt GmbH
Onkologisches Zentrum
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt

16Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) und internationalen Empfehlungen

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