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Mammakarzinom des Mannes

ICD-10 C50.9
Stand Mai 2015
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Mammakarzinom des Mannes

1Zusammenfassung

Das Mammakarzinom ist bei Männern eine seltene Erkrankung. Etwa ein Viertel der Patienten hat eine genetische Prädisposition, am häufigsten mit BRCA2-Mutationen, der CHEK2-Mutation del1100C oder dem Klinefelter-Syndrom. Histologisch dominiert das invasive duktale Karzinom. Die meisten Erfahrungen in Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms wurden bei Frauen gesammelt und auf die Situation der Männer übertragen. Die Prognose wird vor allem vom Stadium bei Erstdiagnose und von der Biologie der Erkrankung bestimmt.

Der Therapieanspruch ist kurativ im lokal begrenzten, im lokal fortgeschrittenen und im lokal rezidivierten Stadium. Die Therapie ist in diesen Krankheitsstadien multimodal. Nach Operation und Bestrahlung schließt sich bei den meisten Patienten eine adjuvante endokrine Therapie mit Tamoxifen an, ggf. auch eine Chemo- und/oder eine anti-HER2-Therapie. Im Stadium der Fernmetastasierung ist der Therapieanspruch palliativ mit dem Ziel der Linderung von Symptomen und Verlängerung der Überlebenszeit.

Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt in Deutschland bei 74%, niedriger als bei Frauen mit Mammakarzinom.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformation

Die Verteilung der histologischen und der immunhistologischen Befunde unterscheidet sich beim Mammakarzinom des Mannes (MBC (Male Breast Cancer) deutlich von den Frauen. Histologisch wird bei etwa 90% der männlichen Patienten ein invasiv duktales Karzinom gefunden. Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) macht 5-10% der Diagnosen bei klinischem und/oder bildgebendem Verdacht auf ein Mammakarzinom aus [20]. Andere histologische Subtypen sind selten. Bei über 90% der Karzinome ist die Östrogen (ER)-Expression hoch (Allred 7-8) [920]. Bei über 90% ist der Progesteron (PR)-Rezeptor nachweisbar, aber nur in etwa 35% hoch exprimiert. HER2-positive Karzinome machen 5-10% aus, triple negative Karzinome sind selten. Eine hohe Expression des Androgenrezeptors ist bei 85-90% der Karzinome nachweisbar [36]. Das histologische Grading wird bei 50-55% der Karzinome als G2 eingestuft [Fentiman, Cardoso]. Männer mit Mammakarzinom haben in etwa 35-40% einen positiven Lymphknotenstatus [24].

2.2Epidemiologie

In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 600 [23], in Österreich erkrankten im Jahr 2012 73 [35], in der Schweiz zwischen 1987 und 2011 durchschnittlich 32 Männer/Jahr an Brustkrebs [31]. Dies entspricht jeweils etwa 1% aller Mammakarzinome. Die Erkrankungsraten liegen <1/100.000 Personenjahre, das mittlere Erkrankungsalter bei 68-69 Jahren [233135]. Im Unterschied zum Mammakarzinom der Frau steigt die Inzidenz nicht deutlich an.

Abbildung 1: Neuerkrankungen an Mammakarzinom bei Männern in Deutschland 
Neuerkrankungen an Mammakarzinom bei Männern in Deutschland
Hochrechnung des Instituts für Krebsepidemiologie e.V., Lübeck für ICD10: C50 auf Basis der Daten: Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. Atlas der Krebsinzidenz und -mortalität in Deutschland (GEKID-Atlas). Datenlieferung: Dezember 2010, Lübeck, 2011. Verfügbar über: http://www.gekid.de , September 2011 (Quelle: Ron Pritzkuleit, Alexander Katalinic, Institut für Krebsepidemiologie e.V., Lübeck)

International schwankt die Inzidenz des männlichen Mammakarzinoms erheblich zwischen den verschiedenen Regionen und Nationen [30].

2.3Pathogenese

Die Ätiologie des männlichen Mammakarzinoms ist nicht geklärt. Der Anteil von Patienten mit molekularbiologisch charakterisierter, genetischer Prädisposition liegt deutlich höher als beim Mammakarzinom der Frau.

Eine besondere Rolle in der Pathogenese spielt möglicherweise die Verschiebung des Androgen/Östrogen-Verhältnisses oder ein erhöhter Östradiol-Spiegel [78]. Diese hormonelle Veränderung kann zum erhöhten Risiko bei Männern mit Klinefelter-Syndrom, bei Männern mit Hypogonadismus anderer Genese und bei Patienten mit chronischer Leberinsuffizienz beitragen.

Eine eigene Rolle spielt der Androgenrezeptor (AR). Eine hohe AR-Expression auf den Tumorzellen korreliert mit einem höheren Risiko für Lymphknotenmetastasen bei Erstdiagnose und ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert [36].

2.4Risikofaktoren

Als Risikofaktoren wurden identifiziert [621]:

  • genetisch

    • Klinefelter-Syndrom (47, XXY): etwa 20-60fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung, macht etwa 7% aller MBC aus, mittleres Erkrankungsalter 58 Jahre; siehe Onkopedia Klinefelter Syndrom

    • BRCA2-Mutation: etwa 80fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung, 5-10% Erkrankungsrisiko bei männlichen Trägern von BRCA2-Mutationen, macht etwa 10% bei unselektionierten MBC aus, mittleres Erkrankungsalter 55-60 Jahre; [1534]

    • BRCA1-Mutation: etwas erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber Normalbevölkerung, <2% bei unselektionierten MBC, möglicherweise erhöhtes Risiko für bestimmte Mutationen; [1534]

    • CHEK2 1100delC-Mutation: etwa 10fach erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber der Normalbevölkerung, 9% aller MBC, Nord-Süd-Gefälle in Europa; [11]

    • positive Familienanamnese: etwa 2,5 fach erhöhtes Risiko

  • erworben

    • Kryptorchismus

    • Z. n. Orchitis / Epididymitis

    • Adipositas, hoher Body-Mass-Index [67]

    • Gynäkomastie [Brinton 2010]

  • toxisch

    • Strahlenexposition der Brustwand

Eine Assoziation mit anderen Risikofaktoren wie hohem Alkoholkonsum oder chronischer Lebererkrankung wurde ebenfalls beschrieben [21], die Bewertung der epidemiologischen Daten ist aber nicht einheitlich.

3Vorbeugung und Früherkennung

3.1[Kapitel nicht relevant]

3.2Früherkennung

3.2.1Bevölkerung

Es gibt kein Früherkennungsprogramm wie bei Frauen.

3.2.2Risikopersonen

In Familien mit BRCA2-Mutationen wird eine genetische Beratung auch für die Männer empfohlen. Das Klinefelter-Syndrom ist mit einem 20-60fach erhöhten Risiko für ein MBC belastet. Für diese Risikogruppe erscheint ein Früherkennungsprogramm sinnvoll, ist aber nicht implementiert, siehe Onkopedia Klinefelter-Syndrom.

4Klinisches Bild

4.1Symptome

Dominierendes Symptom ist die schmerzlose Knotenbildung in der Brust, am häufigsten retroareolär. Weitere lokale Symptome sind Hautveränderungen über dem Tumor und Veränderungen der Mamille mit Einziehung, Ulzeration oder Sekretion. Allgemeinsymptome fehlen in frühen Stadien. In fortgeschrittenen Stadien kann es zu Gewichtsabnahme und Leistungsminderung kommen. Symptome aufgrund von Metastasen sind Schwellung des Arms durch Lymphödem bei Lymphknotenmetastasen der Axilla, Knochenschmerzen bei Skelettmetastasen, Husten und Dyspnoe bei pulmonaler und/oder pleuraler Metastasierung, Ikterus und Leberinsuffizienz bei fortgeschrittener Lebermetastasierung oder neurologische Symptome bei zerebraler Metastasierung.

5Diagnose

5.1[Kapitel nicht relevant]

5.2Diagnostik

Sorgfältige Anamnese und komplette körperliche Untersuchung sind Grundlage rationeller Diagnostik. Der erste Schritt ist die Bestätigung der klinischen und/oder bildgebenden Verdachtsdiagnose, s. Tabelle 1.

Tabelle 1: Diagnostik bei neu aufgetretenen Symptomen [10] 

Untersuchung

Anmerkung

Mammographie bds.

Methode der ersten Wahl

Sonographie beider Mammae und der Axillae

Bestätigung der mammographischen Verdachtsdiagnose und Charakterisierung des Befundes

Biopsie (Stanzbiopsie, Vakuumbiopsie oder offene Biopsie)

Magnetresonanztomographie bds. mit Kontrastmittel

wegen des hohen Risikos der Thoraxwandinfiltration

Nach Diagnose eines Mammakarzinoms ist eine gezielte Ausbreitungsdiagnostik (Staging) für Patienten mit Tumoren ≥pT2 und bei klinischen Symptomen indiziert, siehe Tabelle 2. Fernmetastasen können beim Mammakarzinom in fast allen Regionen des Körpers auftreten. Die häufigsten Lokalisationen sind Skelett, Leber und Lunge.

Tabelle 2: Ausbreitungsdiagnostik 

Verdacht

Untersuchung (1. Wahl)

Untersuchung zur Bestätigung / bei Unklarheit

Thoraxwandinfiltration

Magnetresonanztomographie mit Kontrastmittel

Skelettmetastasen

Skelettszintigraphie

Röntgen, MRT

Lebermetastasen

Sonographie, CT Abdomen

Lungenmetastasen

Röntgen Thorax in 2 Ebenen

CT Thorax

ZNS-Metastasen

Magnetresonanztomographie

5.3Klassifikation

Die Klassifikation ist bei Männern und Frauen identisch, siehe Tabelle 3 und Onkopedia Mammakarzinom der Frau.

Tabelle 3: Klassifikation der Tumorstadien (UICC) 

Stadium

Primärtumor

Lymphknotenstatus

Fernmetastasen

0

Tis

N0 (keine)

M0

I

T1mic

N0

M0

T1a (1 – 5 mm)

N0

M0

T1b (6 – 10 mm)

N0

M0

T1c (11 – 20 mm)

N0

M0

IIA

T0, T1mic, T1

N1 (1-3 LK in der Axilla und/oder der ipsilateralen Mammaria-Interna-Region)

M0

T2 (21- 50 mm)

N0

M0

IIB

T2

N1

M0

T3 (≥51 mm)

N0

M0

IIIA

T0, T1mic, T1, T2

N2 (4-9 LK in der Axilla)

M0

T3

N1

M0

IIIB

T4 (Infiltration der Brustwand und/oder der Haut, und/oder ipsilaterale Satellitenmetastasen und/oder inflammatorisches Mammakarzinom)

N0 – 2

M0

IIIC

alle T

N3 (≥10 LK n der Axilla und/oder Befall infra- oder supraklavikulärer LK)

M0

IV

alle T

alle N

M1 (Metastasen außerhalb der Brust und der benachbarten LK-Regionen

5.4Prognostische Faktoren

In vergleichenden Untersuchungen ist die stadienabhängige Prognose von Männern mit Brustkrebs etwas schlechter als die betroffener Frauen [9132427323337], siehe Tabelle 4. Allerdings sind hier das höhere Erkrankungsalter und andere prognostische Faktoren nicht berücksichtigt.

Tabelle 4: Prognose des Mammakarzinoms bei Männern [33] 

 

Stadium

5 Jahres-Überlebensrate (%)

Frauen

Männer

I

96

78

II

84

66

III

52

39

IV

24

14

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Therapieoptionen beim lokal begrenzten Mammakarzinom umfassen die Operation, die Bestrahlung und die medikamentöse Therapie [29]. Viele Empfehlungen für die Behandlung betroffener Männer orientieren an den Empfehlungen für das Mammakarzinom der Frau [2312], weil für diese Patientengruppe eine bessere Evidenzlage vorliegt. Unterschiede finden sich vor allem bei der Radikalität der Operation und bei der endokrinen Therapie. Der Therapiealgorithmus ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Algorithmus für die Primärtherapie 

6.1.1Lokal begrenzt

6.1.1.1Operation
6.1.1.1.1Brust

Bevorzugte Operationstechnik ist die modifizierte radikale Mastektomie. Aber auch die brusterhaltende Operation ist bei geeigneten anatomischen Bedingungen möglich.

6.1.1.1.2Axilla

Standard zur Evaluation axillärer Lymphknoten bei cN0 ist die Sentinel-Lymph-Node-Technik (SLNE) mit gezielter Entfernung und Untersuchung von ein bis drei Lymphknoten, siehe Onkopedia Mammakarzinom der Frau. Retrospektive Studien deuten darauf hin, dass die Sentinel-Lymphknoten-Technik bei Männern ähnlich effektiv wie bei Frauen ist [522]. Die SLNE ist in diesem Stadium der Axilladissektion gleichwertig hinsichtlich der lokalen Kontrolle, aber mit einer geringeren Morbidität belastet. Bei negativem Sentinel-Lymphknoten ist eine Axilladissektion nicht indiziert. Wir empfehlen, analog zum Vorgehen bei den Frauen auch bei positivem Sentinel–Lymphknoten auf die Axilladissektion zu verzichten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • nicht mehr als 2 befallene Sentinel-Lymphknoten

  • Tumorstadium T1 oder T2

  • präoperativ cN0, d. h. kein klinischer Anhalt für einen Befall der Axilla

  • intraoperativ kein Hinweis auf Adhärenz der Lymphknoten

  • postoperative Bestrahlung durch tangentiale Felder geplant

  • adäquate adjuvante medikamentöse Tumortherapie

6.1.1.2Bestrahlung

Separate prospektive Studien über die Effektivität der Strahlentherapie bei Männern gibt es nicht. In einer retrospektiven Analyse hatten Männer im Stadium III nach adjuvanter Bestrahlung bei Mastektomie ein signifikantes besseres Überleben als Männer ohne Bestrahlung [18]. Bei Männern im Stadium I und II ergab sich durch die zusätzliche Bestrahlung kein prognostischer Unterschied.

Nach brusterhaltender Operation (BET) sollte auch im Stadium I und II die Indikation zur adjuvanten Bestrahlung geprüft werden.

Die Indikationen zur Bestrahlung der Brustwand und der Lymphabflusswege werden im Allgemeinen analog den Kriterien beim Mammakarzinom der Frau bei Zustand nach Mastektomie gestellt. Auch die empfohlenen Dosierungen sind gleich.

6.1.1.3Adjuvante medikamentöse Therapie
6.1.1.3.1Adjuvante endokrine Therapie

Mehr als 95% der Mammakarzinome des Mannes exprimieren Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren. Die Kriterien für die Diagnose eines endokrin sensitiven Karzinoms sind bei den beiden Geschlechtern gleich, siehe Onkopedia Mammakarzinom der Frau. Tamoxifen hat sich als endokrine Standardtherapie durchgesetzt, obwohl es keine prospektiv randomisierte Studie im Vergleich zu Placebo oder zu alternativen, hormonablativen Strategien (Orchiektomie, LHRH Analoga) gibt. Tamoxifen verursacht auch bei Männern die typischen Nebenwirkungen, insbesondere reduzierte Libido, Impotenz, Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen [12533]. Auch das Risiko für venöse Thrombembolien ist erhöht.

In einer retrospektiven Studie hatten Patienten mit endokriner adjuvanter Therapie ein signifikant besseres Überleben als Patienten ohne adjuvante endokrine Therapie [25]. In einer weiteren retrospektiven Studie aus Deutschland zeigten Männer nach adjuvanter Therapie mit einem Aromatasehemmer eine signifikant schlechtere Prognose als Patienten mit Tamoxifen als adjuvante endokrine Therapie [17].

Bei kombinierter chemoendokriner Therapie sollte die endokrine Behandlung erst nach Abschluss der Chemotherapie begonnen werden.

6.1.1.3.2Adjuvante Chemotherapie

Wegen des im Durchschnitt höheren Krankheitsstadiums bei Erstdiagnose wird die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie bei Männern mit Mammakarzinom häufiger als bei Frauen gestellt.

Die einzige prospektive Studie zu diesem Thema wurde mit CMF durchgeführt und zeigte eine 5-Jahres- Überlebensrate von 80%, signifikant besser als die historische Kontrolle [4]. In einer retrospektiven Analyse unter Verwendung von Anthrazyklinen lag die 5-Jahres-Überlebensrate bei 86% [25]. Im Analogieschluss werden für die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie dieselben Kriterien wie beim Mammakarzinom der Frau angewandt, siehe Abbildung 3.

Abbildung 3: Algorithmus für die Chemotherapie 
Algorithmus für die Chemotherapie
1 G – Grading;
2 ER - Östrogenrezeptor;
3 HER2 - Human Epidermal growth factor Receptor; HER2 negativ - keine HER2-Überexpression / keine HER2 Genamplifikation; HER2 positiv - HER2 Überexpression und / oder HER2 Genamplifikation;
4 molekular Subtypen – zur Definition;
5 Genexpressionstest – Auswertung der Transkription Prognose-relevanter Gene;
6 Proliferation - konventionelle Methoden sind der Ki67-Labelling Index und die Auszählung der Mitoserate;
7 uPA / PAI-1 – Urokinase-Type Plasminogen Activator und Plasminogen Activator Inhibitor Type 1

Die biologischen Parameter der Gen-Signatur, des Proliferationsmarkers Ki67 und von uPA/PAI sind beim MBC nur in Fallserien untersucht. Bezüglich der Gensignaturen fand sich bei Patienten mit HR-positivem Mammakarzinom eine ähnliche Verteilung wie bei Frauen [28]. Der Wert dieser Marker in der Indikationsstellung einer adjuvanten Chemotherapie ist offen.

Eine wesentliche Einschränkung bei der Indikation und bei der Wahl des Therapieregimes ist die Komorbidät der durchschnittlich älteren Männer.

6.1.1.3.3Adjuvante anti - HER2 Therapie

Eine Überexpression oder Genamplifikation von HER2 wird nur bei 5-10 % der Männer nachgewiesen [Cardoso]. Daten über die Effektivität gezielter Therapie sind beim virilen Mammakarzinom auf Fallbeispiele aus der palliativen Situation beschränkt. In der adjuvanten Therapie bei Männern wird Trastuzumab in Kombination mit Chemotherapie empfohlen. Bei kardialer Vorbelastung ist die Kombination von Paclitaxel mit Carboplatin zu erwägen.

6.1.2Lokal fortgeschrittene Stadien

6.1.2.1Primäre (neoadjuvante) medikamentöse Therapie

Bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen (Stadien IIIA und B) kann die medikamentöse Therapie auch primär (neoadjuvant, präoperativ) durchgeführt werden mit Applikation von Anthrazyklinen und Taxanen über eine Behandlungsdauer von ≥18 Wochen. Die primäre endokrine Therapie mit Tamoxifen stellt eine Option für Patienten mit ER positivem Tumor dar, bei denen Operation oder Chemotherapie kontraindiziert sind oder abgelehnt werden. Die primäre systemische Chemotherapie ist Teil eines multimodalen Behandlungskonzepts und wird fortgesetzt mit Operation, Bestrahlung sowie endokriner Systemtherapie entsprechend den Indikationen beim lokal begrenzten Mammakarzinom.

6.1.3Palliative Therapie

Auch in dieser Situation gibt es keine eigenständigen Daten aus prospektiv randomisierten Studien bei Männern. Bei Patienten mit ER positivem Mammakarzinom steht die endokrine Therapie mit Tamoxifen an erster Stelle [19]. Effektiv ist auch die Hormonablation (Orchiektomie, LHRH Agonisten + Antiandrogen) [26]. In kleinen Studien wurde eine Effektivität von Aromataseinhibitoren beobachtet [16].

Eine Alternative ist der Rezeptorantagonist Fulvestrant [14]. Die Remissionsrate liegen in einer gepoolten Analyse bei 26,1%, das mediane progressionsfreie Überleben bei 5 Monaten [38]. Zur Kombination endokriner Therapie mit gezielten Stoffwechsel-Inhibitoren liegen beim MBC noch keine Daten vor.

Chemotherapie ist auch beim Mammakarzinom des Mannes effektiv, aber mit mehr Nebenwirkungen als die endokrine Therapie belastet. Bei Abwägung von Nutzen und Risiko ist die Chemotherapie indiziert bei Patienten nach Versagen einer endokrinen Therapie und bei ER negativem Karzinom. Sie ist auch indiziert, wenn aufgrund einer fortgeschrittenen, Organ - gefährdenden Metastasierung schnell eine Remission erzielt werden soll.

Bei Patienten mit HER2 positivem Mammakarzinom werden die Anti-HER2-Antikörper Trastuzumab, Pertuzumab und Trastuzumab Emtansin (TDM-1) oder der Kinase-Inhibitor Lapatinib empfohlen.

Bei Mammakarzinomen mit BRCA-Mutationen sind Platinderivate besonders wirksam.

Zur Auswahl geeigneter Substanzen und Kombinationen sowie zur symptomorientierten palliativen Therapie siehe Onkopedia Mammakarzinom der Frau, Kapitel 6.1.4.

7Rehabilitation

Operation, Strahlentherapie und systemische Therapie eines Patienten können zu Therapiefolgestörungen unterschiedlichen Schwergrades führen, die gezielte rehabilitative Maßnahmen im somatischen und psychosozialen Bereich erfordern. Die Patienten sollen über die Möglichkeiten ambulanter und stationärer Rehabilitationsmaßnahmen sowie weiterer Ansprüche, die sich aus dem Sozialrecht ergeben, frühzeitig informiert werden. Hinsichtlich der Rehabilitationsklinik müssen die Wünsche der Patienten berücksichtigt werden. Dennoch sollte eine Empfehlung für eine Klinik mit onkologischem Schwerpunkt abgegeben werden, um einen optimalen Rehabilitationserfolg zu gewährleisten.

8Verlaufskontrolle und Nachsorge

8.1[Kapitel nicht relevant]

8.2Nachsorge

Ein Ziel der Nachsorge ist die frühzeitige Diagnose von lokoregionären Rezidiven oder eines Zweitkarzinoms mit der Chance einer erneuten Behandlung in kurativer Intention. Dies betrifft beim Mammakarzinom des Mannes insbesondere die jüngeren Patienten und die große Gruppe der Patienten mit bekannter genetischer Prädisposition.

Weitere Ziele sind die Erkennung und Behandlung von Nebenwirkungen der Therapie, und die Fortsetzung der psychosozialen Unterstützung und Beratung. Zeitpunkte und Maßnahmen sind in Tabelle 5 zusammengefasst. Die Empfehlungen sind vom Mammakarzinom der Frau übernehmen.

Eine routinemäßige Suche nach Fernmetastasen ist aufgrund der Unsicherheit der eingesetzten Methoden und der Untersuchungsintervalle bei symptomfreien Patientinnen nicht indiziert. Alle Patienten mit axillärer Lymphadenektomie sollen über die Option der Erkennung, Prophylaxe und Behandlung eines Lymphödems des Arms postoperativ aufgeklärt werden. Die Durchführung einer prophylaktischen Lymphdrainage ist nicht indiziert.

Tabelle 5: Nachsorge nach kurativer Therapie  

Zeitpunkt (Monate)

3

6

9

12

15

18

21

24

27

30

33

36

42

48

54

60

72

84

96

108

120

Anamnese, körperliche Untersuchung, Beratung

X

X

X

X

X

X

X

X

(X)

X

(X)

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Bildgebende Diagnostik der Brust1

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

X

 

1Standard der apparativen Diagnostik sind Mammographie und Sonographie der betroffenen sowie Mammographie der kontralateralen Brust.

9Literatur

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  33. Niederberger P, Bucher S, Aebi S: Männliches Mammakarzinom: Was ist anders? Praxis 105: 147–151, 2016. DOI:10.1024/1661-8157/a002250

  34. Silvestri V, Barrowdale D, Mulligan Am et al.: Male breast cancer in BRCA1 and BRCA2 mutation carriers: pathology data from the Consortium of Investigators of Modifiers of BRCA1/2. Breast Cancer Research 18:15- 27, 2016. DOI:10.1186/s13058-016-0671-y

  35. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/krebserkrankungen/brust/index.html

  36. Wenhui Z, Shuo L, Dabei T et al.: Androgen receptor expression in male breast cancer predicts inferior outcome and poor response to tamoxifen treatment. European Journal of Endocrinology 171: 527–533, 2014. DOI:10.1530/EJE-14-0278

  37. Yu XF, Yang HJ, Yu Y et al.: A prognostic analysis of male breast cancer (MBC) Compared with post-menopausal female breast cancer (FBC). PLoS ONE 10: e0136670, 2015. DOI:10.1371/journal.pone.0136670

  38. Zagouri F, Sergentanis TN, Chrysikos D et al.: Fulvestarnt and male breast cancer: a pooled analysis. Breast Cancer Res Treat 149:269-275, 2015. DOI:10.1007/s10549-014-3240-z

10Aktive Studien

11Therapieprotokolle

12[Kapitel nicht relevant]

13Zulassungsstatus

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Stefan Aebi
Luzerner Kantonsspital
Departement Medizin
Medizinische Onkologie
CH-6000 Luzern 16
Assoc. Prof. PD Dr.med.univ. Marija Balic
Landeskrankenhaus-Universitätskl. Graz
Innere Medizin
Klinische Abt. f. Onkologie
Auenbrugger Platz 15
A-8036 Graz
Prof. Dr. med. Thomas Decker
Onkologie Ravensburg
Elisabethenstr. 19
88212 Ravensburg
Prof. Dr. Tanja Fehm
Universitätsklinikum Düsseldorf
Frauenklinik
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Prim. Univ.-Prof. Dr. Richard Greil
Landeskrankenhaus Salzburg
Universitätsklinik f. Innere Medizin III
Onkologisches Zentrum
Müllner Hauptstr. 48
A-5020 Salzburg
Prof. Dr. med. Nadia Harbeck
Klinikum der Universität München LMU
Brustzentrum
Marchioninistr. 15
81377 München
Prof. Dr. med. Barbara Krug
Universitätsklinik Köln
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
Kerpener Str. 62
50931 Köln
Prof. Dr. med. Diana Lüftner
Immanuel Klinik Märkische Schweiz
Fachklinik für onkologische Rehabilitation
Lindenstr. 68-70
15377 Buckow (Märkische Schweiz)
Dr. med. Friedrich Overkamp
OncoConsult Overkamp GmbH
Europaplatz 2
10557 Berlin
Prof. Dr. med. Oliver Rick
Klinik Reinhardshöhe
Hämatologie/Onkologie
Quellenstr. 8-12
34537 Bad Wildungen
Prof. Dr. Frederik Wenz
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Str. 55
79106 Freiburg
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann
Amb. Gesundheitszentrum der Charité
Campus Virchow-Klinikum
Med. Klinik m.S. Hämatologie & Onkologie
Augustenburger Platz 1
13344 Berlin

16Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) und internationalen Empfehlungen.

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Reference:

Quellenangabe:

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